Baustoffe aus dem Meer
Das Gipsvorkommen von Pfennigwiese
Der Blick auf den Schneeberg, den -„König der norischen Alpen“-, wie ihn der Dichter Franz Grillparzer nannte, über das Becken von Sierning hinweg, ist von beeindruckender Schönheit, daran ändern auch die wuchtigen Bergbauanlagen vom Pfennigbach nichts. Im Tagbau gewinnt man hier einen begehrten Rohstoff, der in der geologischen Epoche der sogenannten Trias entstand, Gips. Gips, ein wasserhaltiges Calciumsulfat mit der chemischen Formel CaSo4H2O, und Steinsalz (NaCl) bilden die häufigsten chemischen Sedimente, die sich bei verdunstendem Meerwasser bilden. Wird nämlich der Sättigungspunkt von Wasser überschritten, so fallen die darin gelösten Stoffe zu Sedimenten aus. Beginnt Meerwasser zu verdunsten – etwa durch die Abschnürung eines Ozeanbeckens, das außerdem zu wenig Wasserzulauf erhält, um sich wieder aufzufüllen, entstehen als erste Fällungsprodukte Carbonate, also Kalke und Dolomit. Die weitere Verdunstung führt zur Ausfällung von Gips, danach von Steinsalz, dem Edelsalze folgen. Trocknet das Seebecken ganz aus, bildet sich als letzte Schicht Salzton. Aus dieser Abfolge der Sedimentation ist die Entwicklungsgeschichte des Sierninger Beckens leicht zu rekonstruieren: Da hier als oberste Schicht Gips zu Tage tritt und alle folgenden Salzdecken fehlen, verdunstete das Wasser des Beckens nicht zur Gänze, sondern wurde durch zufließendes Meerwasser ergänzt. Dadurch blieb im Sierninger Becken das Wasservolumen konstant und das mächtige Gipsevaporit von Pfenningbach-Puchberg konnte vor 200 Millionen Jahren entstehen.
Dieser Vorgang erfolgte allerdings nicht an der heute bekannten Stelle, sondern weit im Süden. Erst durch alpine Gebirgsbildung der Alpen wurde die Gipslagerstätte an ihren heutigen Standort geschoben. Gips, der bei und hauptsächlich in massigen Lagen vorkommt, so bei Golling, Hinterstein, Admont, Tragöß, Weißenbach in Tirol und Heiligenkreuz-, kristalliert gelegentlich zu prismatischen, tafeligen, flächenreichen oder schlangenförmigen, gewundenen Gebilden. In Santa Eulalia, Mexico, entdeckte man eine Druse, die nicht weniger als 100 m lang ist und mit baumdicken, klaren Einkristallen über 3 m aufragt. Solche Prachtstücke kristallisierten Gips sind freilich einzigartig.